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Erfolgreiche Transformation

Change als Heldenreise gestalten

Von
Thorsten Heger
|
6.4.2024
#Change #Heldenreise #Psychologie #Empathisches Führen #Nachhaltiger Wandel
Change als Heldenreise gestalten

Die Heldenreise ist eine Erzählart, die ein gemeinsames Muster von Abenteuer und Verwandlung skizziert, das Charaktere in vielen Geschichten über Kulturen und Zeiträume hinweg durchlaufen. Dieses Konzept wurde von Joseph Campbell, einem amerikanischen Mythologen, Schriftsteller und Dozenten, in seinem Werk "The Hero with a Thousand Faces" (1949) bekannt gemacht. Campbell arbeitete heraus, dass viele Mythen und Geschichten eine grundlegende Struktur aufweisen, die er als Monomythos bezeichnete.

Jeder Veränderungsprozess der Menschen involviert, lässt sich in Form einer Heldenreise beschreiben. Die Menschen, die Ihr mitnehmen wollt auf eine Veränderungsreise sind wie Heldinnen und Helden auf einer Abenteuerreise. Schematisch wird solch eine Reise im Kontext von Geschichten und Filmen oft so dargestellt:

Wenn Ihr dieses Schema auf Euren Kontext adaptiert und die daraus entstehende Veränderungs-Geschichte für die Beteiligten gedanklich vorweg nehmt und ihnen immer wieder erzählt, dann werdet ihr grossen, positiven Einfluss haben! Schauen wir mal genauer hin, was das bedeutet und wie das gehen kann. Warum? Dafür gibt es eine Reihe handfester, wissenschaftlich belegter Gründe.

Die Wissenschaft dahinter

1. Neurologische Auswirkungen
  • Emotionen und Gedächtnis: Geschichten wecken Emotionen, die mit der Gedächtnisbildung verbunden sind. Der emotionale Inhalt einer Geschichte kann sie einprägsamer machen als sachliche Informationen. Forschungen des Neuroökonomen Paul Zak haben gezeigt, dass Geschichten die Ausschüttung von Oxytocin auslösen können, einem Hormon, das mit Empathie und Verbundenheit in Verbindung gebracht wird.
  • Neuronale Kopplung: Eine in der Fachzeitschrift "Brain and Language" veröffentlichte Studie ergab, dass eine gut erzählte Geschichte zu einer Synchronisierung der Gehirne des Zuhörers und des Erzählers führen kann, ein Phänomen, das als neuronale Kopplung bekannt ist. Diese Synchronisierung verbessert das Verständnis, die Verständlichkeit und die Merkfähigkeit.
2. Kognitive Verarbeitung
  • Vereinfachung komplexer Informationen: Geschichten können komplexe Informationen vereinfachen, so dass sie leichter zu verstehen und nachzuvollziehen sind. Indem sie Fakten in eine Erzählung einbinden, können Geschichtenerzähler komplizierte Ideen auf verdaulichere und ansprechendere Weise präsentieren.
  • Erkennung von Mustern: Der Mensch ist darauf programmiert, Muster zu erkennen. Geschichten folgen erkennbaren Mustern (wie die Reise des Helden), die unsere kognitiven Erwartungen erfüllen und die Informationen ansprechender und leichter zu verarbeiten machen.
3. Psychologisches Engagement
  • Einfühlungsvermögen und Identifikation: In Geschichten kommen oft Figuren vor, mit denen sich das Publikum identifizieren kann oder für die es Empathie empfindet. Diese Identifikation kann die Überzeugungskraft der Erzählung erhöhen, da die Zuhörer eher von Botschaften beeinflusst werden, die sie emotional berühren oder sich auf ihre Erfahrungen beziehen.
  • Spannung und Neugierde: Gute Geschichten erzeugen Spannung und Neugierde. Das hält die Zuhörer bei der Stange, denn sie wollen wissen, wie es weitergeht. Die Ausschüttung von Dopamin in diesen Momenten der Neugier und der Auflösung kann das Erlebnis der Geschichte lohnender und einprägsamer machen.

"OK, cool das scheint also kein Quatsch zu sein - aber wie wende ich das jetzt konkret bei unternehmerischen Veränderungsprozessen an", mögt Ihr jetzt denken. Tauchen wir ein in die verschiedenen Entwicklungsstufen - und schauen uns jeweils die "Übersetzung" für den Business-Kontext an.

Anwendung der Methodik im Business-Kontext

1. Bekannte Welt

Im Film: Das alltägliche Leben der Heldin oder des Helden. Man wird eingeführt in die Art und Weise, wie die Welt beschaffen ist, in der die Geschichte ihren Lauf nehmen wird. Man lernt Routines kennen und versteht, was die Menschen prägt.

Im Business: Beschreibt klar und deutlich die Ausgangslage, in der Ihr Euch aktuell mit dem Team/ dem Unternehmen befindet. Neudeutsch und in aller Kürze: Holt die Menschen ab, da wo sie sind. Versetzt Euch dafür schon jetzt in Ihre Lage. Der Helikopter-Blick der Führungskräfte muss nicht immer dem entsprechen, was die einzelnen Beteiligten fühlen!


2. Ruf zum Abenteuer

Im Film wird die Heldin/ der Held hier mit etwas konfrontiert, das den Aufbruch zur Heldenreise auslöst. Oftmals zunächst unfreiwillig. Und doch wird bald klar: Diese Reise wird sich nicht vermeiden lassen! Ein bewegendes Beispiel für solch einen Ruf zum Abenteuer und die Weigerung darauf, könnt Ihr in Rocky Balboas Rede an seinen Sohn sehen.

Im Business: Warum bedarf es einer Veränderung des Status Quo in der bequemen, bekannten Welt? Welche Vision soll am Ende der Reise erreicht sein? Was ist das große WARUM? Und warum solltet Ihr mit Euren Team/ dem Unternehmen JETZT starten?

3. Weigerung

Im Film entwickeln die Helden zunächst oft Widerstände gegen den Ruf zum Abenteuer. Ist ja klar: In der bekannten Welt ist zwar nicht alles perfekt, aber es ist doch die einzige Welt, die wir haben und kennen. Oder? Also lieber verharren.

Im Business geht Ihr hier ehrlich und mutig auf Sorgen und Widerstande Eurer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Versetzt Euch dabei wirklich in ihre Lage; sprecht Herausforderungen klar an. Und bitte nicht nur fachlich-sachlich - Weigerung ist in erster Linie ein psychologisches Thema, das auf unsere Sorge vor Veränderung zurückgeht. Das dürft Ihr adressieren! Aber nicht von oben herab, sondern als jemand der das eben auch spürt.

Was uns direkt zum nächsten Punkt bringt.

4. Treffen des Mentors

Im Film wird der innere Widerstand der Heldin/ des Helden meist durch die Begegnung mit einem Mentor aufgelöst.

Im Business seid Ihr oft selbst dieser Mentor. Denn als Führungskraft habt Ihr ja immer Vorbildfunktion. Wenn Ihr mit Eurem Team/ Unternehmen am Vorabend einer großen Veränderungsreise seid, dann arbeitet hier Eure Legitimation als Führungskraft in diesem besonderen Kontext heraus. Natürlich abseits hierarchischer Gedanken. Nein, es geht darum, Euch nahbar zu zeigen; Erfahrungen zu teilen. Idealerweise erinnert Ihr Euch an eigene Veränderungsreisen aus denen Ihr Erkenntnisse mitgenommen habt, die Euren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier Mut und Zuversicht vermitteln. Barak Obama beherrscht dies Art des Vorwegnehmens der kommenden Reise in der eigenen Herkunftsgeschichte fantastisch. Z.B. damals bei seiner berühmten Convention Speech 2004 anläßlich der Richtungswahl John Kerrys.

5. Überschreiten der ersten Schwelle

Im Film ist dies der erste, entscheidende Schritt der den Held/ die Heldin aus der bekannten Welt hinaus und hinein in die unbekannte Welt des Abenteuers führt.

Im Business geht es darum, nun schnell Momentum zu schaffen. Die sogenannten Quick Wins machen deshalb wirklich Sinn.

6. Bewährungsproben, Verbündete und Feinde

Im Film wird die Heldin/ der Held mit Bewährungsproben konfrontiert, muss sich gegen Feinde zur Wehr setzen und findet auch Freunde und Verbündete.

Im Business: Man kann es nicht oft genug tun - die Herausforderungen, die für alle kommen werden, benennen. Falls es "Bremser" oder Widersacher geben könnte - auch das vorweg nehmen. Es müssen ja nicht gleich Feinde sein ;-). Wichtig: Alles emotional verknüpfen mit Eurer starker Vision dessen, was am Ende für alle zu erreichen ist.

7. Annäherung an die tiefste Höhle

Im Film nähert sich der Held/ die Heldin hier den Punkt der größten, entscheidenden und alles verändernden Herausforderung.

Im Business solltet Ihr Eure Rhetorik nun voll zuspitzen: Was ist die absolute Kernherausforderung in der gesamten Veränderung? Und der damit verbundene größte Schmerz?

8. Entscheidende Prüfung

Im Film ist dies der entscheidende Moment der Veränderung. Das kann etwas Gewaltiges im Außen sein - beispielsweise ein Kampf. Das kann aber auch eine stille innere Erkenntnis sein, ein Springen über den eigenen Schatten - von wo an alles anders ist...

Im Business ist dies der Höhepunkt Eurer Storytelling-Begleitung: Hier appelliert Ihr an die Fähigkeiten des Teams, ihren Zusammenhalt und Mut. Denn für ganz großen Herausforderungen schenkt uns das Leben ja meist eine starke Gemeinschaft in der wir sie bewältigen können. Es macht total Sinn, hier gleich auch wieder den Bogen zu schlagen zur 9. Stufe der Reise...

9. Belohnung

Etwas mystisch formuliert geht es in Film-Geschichten hier darum, nun endlich das "Elixier" zu erhalten. Welcher Art auch immer dies genau ist.

Im Business ist er Synonym für den Zustand der erreicht ist, wenn die große Vision realisiert wurde. Und dabei vor allem auch einen inneren "State" betreffend. Denn auch wenn wir Managerinnen und Manager ja praktisch immer den Impact im Außen anstreben, geht es für die Menschen, die diesen herbeiführen sollen eben immer auch um eine innere Reise. Begeistert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also nicht nur für die neuen äußeren Umstände, sondern macht Lust bei Ihnen auf das innere Wachstum, das damit einhergeht.

10. Weg zurück

Im Film begibt sich die Heldin/ der Held auf den Weg zurück in die "alte" bekannte Welt. Und natürlich ist klar, dass unsere transformierte Heldin jetzt auch hier einen Impact haben wird...

Die Business-Parallele ist hier natürlich das klassische "lessons learned" - denn was tut man auf dem Weg zurück? Man lässt alles noch mal Revue passieren. Verpasst hier nicht die Chance, emotional heraus zu arbeiten, was das Team/ das Unternehmen auf dieser Change-Reise alles geleistet hat. Wir Menschen neigen dazu, zu vergessen, was wir alles geschafft haben. Macht deutlich, welche neuen Fähigkeiten Ihr erlangt habt und wie Ihr damit für neue Herausforderungen jetzt noch besser gewappnet seid. Aber bevor Ihr die angeht: Feiert Euch!

11. Auferstehung und 12. Rückkehr mit dem Elixier

Während die Heldin/ der Held im Film hier oft noch eine letzte Schlacht kämpfen muss und dann transformiert zu Hause wieder ankommt, macht es im Business-Kontext Sinn, sich hier vor allem auf Transzendenz zu konzentrieren. Wir Menschen streben alle danach, etwas zu hinterlassen. Ich möchte behaupten: Die Welt auch für andere besser zu machen (zumindest, wenn wir in wahrer Connection mit uns sind). Auf den neu erlernten Fähigkeiten aufbauend, die Ihr in den lessons learned heraus gearbeitet habt, könnt Ihr nun den Blick noch mal weiten: Zeigt auf, wie alle Beteiligten dieser Change-Reise, anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten im Unternehmen, anderen Teams, weiteren Standorten helfen können ihre anstehenden Transformationen zu bewältigen. So wachsen wir über uns hinaus.

Ein paar abschließende Gedanken

  • Man kann diese Change-Geschichten im Grunde gar nicht oft genug erzählen. Früher saßen wir abends eh alle am Lagerfeuer und haben uns was erzählt. Das hat uns verbunden und es ist gar nicht so schlecht, wenn wir solche eine Verbundenheit heute auch öfter wieder spüren. Dann darf das Lagerfeuer meinetwegen auch Fireside-Chat heißen ;-)
  • Man muss sich natürlich nicht sklavisch an die Reihenfolge hier halten! Im Gegenteil: Es kann rhetorisch noch wirkungsvoller und für die Zuhörerinnen und Zuhörer noch spannender sein, wenn man vorgreift, wieder ins Gedächtnis ruft, wiederholt, usw. ...
  • Es ist sinnvoll, vor dem Start einer größeren Transformation alles einmal vorweg zu nehmen. Genauso wichtig ist aber, währenddessen immer wieder neu Orientierung in der Change-Story zu schaffen. Mit Rückblick, Status und Ausblick.
  • Übrigens funktioniert das Ganze auch im Privaten - wenn man sich seine eigenen Transformations-Geschichten erzählt!
  • Und last but not least: Auf die Haltung kommt es an! Wer unempathisch abspult, wird kein tieferes Gehört finden. Lasst Euch emotional drauf ein - wie diejenigen, die Ihr mit auf die Reise nehmt.

Viel Freude und Erfolg beim abenteuerlichen Transformieren!

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